Mittwoch, 11. Februar 2009

Verdammnis. - Teil 6

Regen prasselte an die Scheibe, die in dem garethischen Fensterrahmen hing. Ein Blitz zuckte über den Himmel und tauchte das Turmzimmer für einen Augenblick in gespenstisches Licht. Der Mann wischte sich über die Oberlippe, wo der Tropfen Blut, der aus seiner Nase gelaufen war einen langen Striemen hinterließ. Es kümmerte ihn nicht. Gedankenverloren lächelte der Mann schräg, den Blick starr auf das tobenden Gewitter außerhalb der schützenden Mauern gerichtet. Vielleicht hätte man ihn als wahnsinnig bezeichnet, hätte jemand sein Gesicht gesehen.
Wieder Blitze es, diesmal schlug der Blitz ganz nah ein und es donnerte. Die Schatten des Raumes zuckten zurück in die dunkelen Ecken. Der Mann drehte sich um und ging zurück zu seinem Labortisch. Zahllose Elixiere und Zutaten standen auf dem Tisch, sein neuestes Ergebnis lag behütet in einer kleinen Kiste mit samtenem Schutzkissen. Bald würde die Stunde sein um den Inhalt der Glasphiole zu testen. Dann tönte der Gong vom Praiostempel, wie eine letzte Mahnung vor seinem Plan über die Stadt. Der Mann drehte die Sanduhr um, die genau 13 Teile einer Stunde laufen würde. Dann wäre es 13 Minuten nach Mitternacht. Mehr des Symbols halber hatte er diesen Zeitpunkt ausgewählt, nicht etwa um dem Namenlosen zu huldigen. Aberglaube! - Zufällig war dies die Zeit, die der Trank brauchte um nach der Mischung mit diesem Abraxas (bosp. "Auslöser") seine Wirkung zu zeigen.
Irrwitzig lächelnd schloß er die Hand um die letzte, wichtigste Essenz, die er benötigt hatte um diesen Trank zu vollenden: menschliches Blut. Sein eigenes, so kostbar. Er wusste, dass dies Risikoreich war - wurde Blut ja auch oft bei Ritualen der Magier und Götzenanbetern benutzt, dennoch war es unabdingbar diesen Einsatz zu wagen, um sein Ziel zu erreichen. Ein Stöhnen durchdrang den Raum. Lächelnd beobachtete der Gelehrte wie das Blut in sein Elixier rann und sich vermischte. Fast sah es aus, als würde eine rote Wirbelsäule in der klaren Flüssigkeit schwimmen.
Er war zufrieden mit seinem Werk und gab ein kurzes Knurren zur eigenen Bestätigung von sich.
"Hic et nunc" murmelte er zu den Schatten "hier und jetzt.. und ihr seid meine Zeugen. Ist es nicht Fabelhaft, ich schenke der Welt eine neue Ordnung und lasse Euch teilhaben."
Er kicherte.
"Das Ergebnis langer Arbeit. Es kann nicht schief gehen. Alles ist Perfekt. Ein Mittel um Golgari aus dem Weg zu gehen. Wie lange ich schon danach suche.. was ich alles geopfert habe. Und wo ist der Dank der Menschen?" Seine Hand ballte sich zur Faust. "Hohn und Schmach zu meinen Ideen oder die Angst vor ihren Göttern. Darauf Spucke ich!
Schon seit dem Tod meines Großvaters graust es mich über den Tod nachzudenken. Damals kümmerte sich der Boronjünger um uns, die Hinterbliebenen. Das heißt er versuchte es.. - dieser wirre Kautz mit seiner stoppeligen Tonsur, der blassen Haut und seinen gruseligen dunkelen Augen. Selbst ein wandelnder Alptraum. Worin lag sein Trost? Ihn holen Phrasen, die Litanei seines Gottes wiederholend: Frieden Borons. Göttliche Paradiese.
Der Tod jedenfalls fasziniert mich seit damals. Ich wurde Alchimist, genau wie mein Vater. Tränke um den Menschen ihre Leiden zu erleichtern. Bei Einzelfällen sogar um ihnen das Leiden zu ersparen.. Diese Narren, dachte ich mir. Ich wollte nie sterben, nein. Eine Angst die mich bis heute treibt. Dennoch, mein Familienglück fand ich. Ich setzte selbst Leben in die Welt, um die Angst vor dem Vergehen zu vergessen. Ich Thor! Als die Rote Keuche nach Drôl kam, schützten uns auch meine Elixiere nicht. Die Sterbenden trommelten an meine Türe. Und selbst meine eigenen Kinder konnte ich nicht schützen..." plötzlich wurde seine Stimme schneidend "WO WAR DA DIE GNADE DER GÖTTER? Kinder! Sinnlos zu Boron gegangen. Auch alle anderen starben... Und selbst für die, für die das Boronrad bis dahin noch ein Zeichen der Hoffnung auf ihre Paradiese war, wurde es ein Zeichen des Todes. Ein Zeichen der Angst!"
Der Mann wischte sich wieder mit dem Ärmel über seine blutende Nase. Verdammt seinen die ätzenden Gifte, die er in der Vergangenheit eingeatmet hatte.
"Nur meine Frau und ich blieben übrig. Alle Verwandten tot. Auch wenn wir reich erbten, was war das für ein Preis! Die Götter wollten aber noch weiter über uns spotten. Sie schenkten meiner Frau das Glück einer weiteren Schwangerschaft. - Und zu welchem Preis? Das sie auf dem Kindsbett starb und nur das Kind überlebte. Und selbst dieses Glück, meine kleine Prinzessin, nahmen sie - oder er, Boron! - mir durch einen lächerlichen Unfall auf der Straße."

Der Mann spuckte einen klumpen Schleim in bereit stehendes Becken und wurde von einem Hustenanfall geschüttelt. Er röchelte, richtete sich aber dann wieder auf und sah auf die kleine Sanduhr, die neben der einzigen Kerze im Raum stand. Die Kerze flackerte und es schien so als würden die Schatten gegen dieses winzig kleine Licht ankämpfen.
"Damals lies ich Drôl hinter mir.." sprach er weiter in die Dunkelheit. Seine Stimme schien sich etwas gefestigt zu haben, nicht mehr so heiser wie kurz davor. "Geld hatte ich ja genug. Also machte ich es mir zum Ziel ein 'Elixier des Lebens' zu finden, welches geliebte Menschen ... retten konnte vor der Hand des dunkelen Götzen. Doch mit meinen Forschungen wurde der Schatten in meinem Leben nicht kleiner. Natürlich. Wer hätte schon Lust das noch einmal durch zu machen, all das Leid. Nolens volens, Wohl oder übel, machte ich mich daran die Forschung zu meinem Lebensinhalt zu machen. Einmal beleidigte mich ein Boronpfaffe in Mengbillar eines Borbaradianischen Forschungsdrangs. Verblendeter Narr. Er bemühte sich, wie er sagte, um mein Seelenheil. Trotzdem schien er Angst vor dem Tod zu haben, als er schließlich erkrankte. Ich war bei ihm als er starb. Natürlich. - Die Nacht der Nächte in meinem Leben, muss ich sagen. - Kurz nach seinem Tod fand ich in einem Versteck ein Buch. Es traf mich wie der Blitz - dieser verfluchte Pfaff hütete schon seit Jahren eine Ansammlung 'nicht göttergefälligen' Texte und Rezepte. Kein Wunder das er aus heiterem Himmel plötzlich in meiner Tür gestanden hatte um mich zu 'warnen'. Wahrscheinlich wollte er allen Ruhm für sich - oder er wollte verhindern das sein Götze keinen Nachschub an Seelen mehr erntete. In einem der Texte stand, die Macht der Götter basiere nur auf den Seelen der Verstorbenen. Mit den Seelen bekämen sie ihre Macht. Und nur die Priester würden angeblich einen wirklichen Status im Himmel erhalten, je mehr Seelen sie 'retteten', desto besser würde es ihnen dort gehen. Kein Wunder warum die Götter alle Seelen für sich behalten wollen. Und das sie möglichst schnell an die Seelen kommen wollen.
Ich sehe heute die Wahrheit in den Texten die ich damals fand. So viel Macht wie ich durch die Elixiere erlangte hätte ich sonst nie erreicht. Eines Tages fand er mich, MEIN Gott. Er versprach mir das Geheimnis des Elixiers zu geben, würde ich einige verlogene Boronpfaffen beseitigen. Es war eine Genugtuung für mich, auf dieses Angebot einzugehen. Ja, auch wenn er eine beängstigende Macht hat, so teilt er sie doch auch mit seinen Jüngern. Sogar die Gabe seiner Kraft hat er mir geschenkt. Nicht wie bei den Pfaffen mit ihren lächerlichen Liturgien. Nein, mir schenkte er sogar die Kraft Tote zum Wandeln zu bringen. Zwar nur ihre Gebeine der Toten, völlig ohne Geist, aber dennoch half mir dies des öfteren. Schön waren sie freilich nicht, diese Wandelnden Leichname, aber heute wird sich das ändern. Heute werden die Toten mir ihrer Seele zurückgeholt aus dem Reich Borons' Finsternis. Und DU wirst der erste sein, dem diese Gabe zuteil wird. Es wird Zeit. Thargunitoth ich rufe Dich..."
Der Schatten, der Stumm dem Monolog gefolgt hatte, versuchte sich zu regen. Es kam jedoch keine Regung in seine Gleider. Wie Fesseln hatte sich Mattigkeit auf seinen Körper gelgt. Der götterverfluchte Wahnsinnige hatte ihm sicher Gift untergemischt. Nackt lag der Schatten auf dem kalten Tisch, nackt, ohne die Rüstung und seinen Glücksbringer das kleine Boronrad, welches er immer getragen hatte. Dem Golgariten hätten sich die Augen geweitet, wenn dies möglich gewesen wäre, als die verätzte Fratze des Totenbeschwörers über ihn beugte und ihm das Mittel in den Mund goß....

Keine Kommentare: