Freitag, 17. Oktober 2008

Verdammnis.

Teil 1 - Rache

Garit Walroder wurde es heiß und kalt zugleich als der Frieden seiner kleinen und gemütlich warmen Amtsstube durch einen lauten Knall zerissen wurde. In der Türe standen zwei mürrisch drein blickende Gardisten die keinen Moment zögerten und ihn mit den Schwertern in der Hand auf ihn zukamen um ihn festzunehmen. Ihnen folgte, begleitet von einem kalten Windhauch vom Flur, auf dem Fuße Richterin Maline Opskurjeff. Sofort wusste Walroder, das man ihn verraten hatte. Er hatte sich hier und da etwas dazu verdient, Genehmigungen erteilt, die es verschiedenen Händlern ermöglicht hatte, ohne Kontrolle über die Grenze der Stadt zu gelangen. Ihm war nichts anderes übriggeblieben. Die teueren Medikamente für seine schwer kranke Tochter, die Spenden an den Tempel der Peraine um sie behandeln zu lassen, aber auch die luxoriöse Lebensweise die ihm; und besonders seiner jungen neuen Frau; ans Herz gewachsen war und dazu noch Schulden für das Haus, von denen er jedoch Dank dieser Zuwendungen schon einiges abgetragen hatte. All das war ohne die gelegentlichen Zuverdienste in Vallusa kaum möglich. In einer Stadt in der man sogar Trinkwasser teuer erkaufen musste! In einigen Wochen wäre er vielleicht befördert worden, dann wären diese "Geschäfte" gar nicht mehr nötig gewesen. Ja, jemand musste ihn verraten haben, vielleicht ein Konkurrent für das Amt im Ratshaus. Kein Wunder das er die ihm vollkommen unsympathische Richterin in letzter Zeit so oft gesehen hatte. Und dann hatte sie auch noch so freundlich getan.. verfluchtes Weibsbild!

All diese Gedanken schossen ihm durch den Kopf als sich die Richterin sich, flankiert von den Gardisten, triumphierend vor ihm aufbaute. Walroder bemerkte das er zusammengesunken war und rappelte sich auf. Sollte er den Unschuldigen mimen? Wie er die Frau haßte, dafür das sie alle seine Träume zerstörte.

"Was hat das zu bedeuten, Euer Gnaden?" herrschte er die Richterin, vielleicht etwas zu herablassend, ob seiner Lage an.
"Versuchen Sie bitte nicht, sich herauszureden Walroder. Alle Beweise gegen sie liegen auf dem Tisch, noch dazu gibt es einen Zeugen der sie bei ihren Geschäften gesehen hat. Tragen sie es wie ein Mann"
Pah, natürlich musste dieses Weib das männliche ansprechen, umgab sie sich doch nur mit jungen Weibsbildern, wie er vor kurzem gehört hatte. Wahrscheinlich hatte sie sich deshalb so hinter seine kleine Zuverdienste geklemmt, weil sie Eifersüchtig auf ihn war wegen seiner jungen, hübschen Frau. Ihr dreckiges Grinsen verriet ihr Triumphgefühl.
"Meine Herren, nehmen sie Herrn Walroder in ihre Obhut"
Als Garit Walroder laut protestierte und fluchend mit Händen und Füßen um sich schlug, bekam er einen Schlag auf den Kopf und wurde Ohnmächtig.

Er wusste nicht wie lange er ohnmächtig gewesen war. Seine Zelle war kalt und feuchtigkeit sickerte durch die Wand. Ihm dröhnte der Schädel. Nur durch ein winziges Loch in der Türe wurde Licht in die Kammer geworfen. Er rief nach einer Wache. Einige Stunden, bis ihm die Stimme versagte. Niemand war gekommen und ihn überwältigte das Gefühl der Verzweiflung.

Alles Heulen und Zähneknirschen half nichts. Er wusste nicht wie lange er sich Gedanken gemacht hatte, nicht nur um sich, sondern auch um seine Familie. Er schreckte hoch. Hatte er gerade geschrien oder war es einer der anderen Gefangenen gewesen die vielleicht neben ihm in ihren Löchern saßen? Schaben krabbelten unter der Türe durch. Kurz darauf blendete ihn ein Lichtschein. Ein Schatten mit brennend weißem Auge. Es rasselte als der Schatten einen Schritt auf ihn zumachte.
"Das is här, der Walroder." rasselte die Stimme des Kerkermeisters, gefolgt von einem kurzen kläglichen Husten. Zwei weitere Schatten, wie er kurz darauf erkannte, Wachleute, schoben sich in die winzige Kammer, hoben ihn hoch und zogen ihn auf die Beine, die unter ihm nachgaben. Er bemerkte das er auf einem Auge nichts sehen konnte. Blind! Oder konnte er es nur nicht öffnen? Seine Hand fuhr über verkrustetes Blut im Gesicht, folgen des Schlages?
Mit einem Stoß in den Rücken wurde er zum gehen aufgefordert "Los, beweg Dich"
Walroder stolperte los, nein, er würde sich keine Blöße vor Gericht geben. Der Kerkermeister griemte ihn gehässig an und wünschte ihm viel Glück.

Kinder? Kleine Mädchen? Nein! Niemals hatte er etwas mit Menschenhandel zu tun gehabt! Bei allem war es um Kisten mit Waffen gegangen, in solchen Kisten, wie er sie gesehen hatte konnte man doch keine Kinder transportieren! Walroder starrte die Richterin an. Das Urteil war schon gefällt, schien ihm. Der Pöbel im Saal wütete, man verfluchte ihn. - Kinder zu verkaufen! Geschenke der Götter! Niemals hätte er so etwas getan. Trotzdem lag es ihm wie Blei auf der Zunge. Die Taten die ihm vorgeworfen wurden zugeben? Was hatte er damit zu tun? Er war doch nur ein kleiner Beamter! Seine Familie.. was würde aus ihm und seiner Familie werden? Er starrte die Richterin verzweifelt an. Dann wanderte sein Blick zu den Herren des Stadtrates, die ihn angewiedert anstarrten. Vor einigen Tagen hatte er noch mit ihnen im Ratskeller getrunken. Pläne geschmiedet... Alles kam ihm vor wie ein schlechter Traum.
Zuerst die Verhaftung, einige Tage im Kerker und nun dieser Schauprozess! Natürlich hatte man ihm Gelegenheit gegeben, sich zu waschen und halbwegs saubere, jedoch zu große, Kleidung anzuziehen.. Trotzdem musste er wie eine Vogelscheuche wirken. Dauernd rutschte ihm seine Hose und er musste sie festhalten. All seine Verteidigung war sinnlos gewesen, die Richterin hatte sehr sorgsam gearbeitet und Beweise hervorgekramt. "An den Galgen mit ihm" brüllten einige im Saal. "Aufs Schafott". Bei den Ratsherren sah er vereinzelt Nicken.
Dann fiel irgendwann der Richterspruch und für Walroder und seine kleine Familie brach die Welt zusammen.



"Ihr Götter seid doch Gnädig. Ich wusste doch nichts davon. Rettet wenigstens meine Familie" Walroder zitterte. Angst, Wut, Verzweiflung - Hass. Vor Kälte wurden ihm die Glieder steif, während er vor der Türe kniete und betete. Vor einem Mond war das Urteil von Richterin Gnadenlos gefallen. Sein Traum vom Leben war wie eine Laugenblase zerplatzt. Wieder schüttelte ihn ein Weinkrampf.
Sein Leben lang sollte er im Zuchthaus verbringen. Die Richterin hatte noch "Gnade" gezeigt ihn nicht aufs Schafott führen lassen - wegen früherer Verdienste in der Verwaltung. Er wusste nicht wie oft er sie schon Verflucht hatte, voller Hohn waren ihre Worte gewesen. Er hasste sie. Doch an jenem Tag sollte eine Abwechslung für den mittlerweile abgemagerten Mann kommen. Er wusste nicht, wie spät es war. Ohne Fenster waren die Tagesläufe nicht zu zählen gewesen. Walroder hatte zudem festgestellt, das sie nicht regelmäßig ihren Brei bekamen, sondern die Wache sich willkürlich verhielt. Mal gab es einen Tag garnichts, mal war der Brei kalt oder es waren nur halbe Portionen.
Jedoch hörte er plötzlich Schlüssel im Schloß und die Türe öffnete sich. Im Rahmen stand der Kerkermeister und grinste ihn über seine Lampe hinweg an.

"Besuch" raspelte seine Stimme und er kicherte.
Seine Frau erschien mit einem flackerndem Lämpchen.
"Beeilt Euch" säuselte der Alte frivol und warf einen lüsternen Blick auf Tralinde Walroder, bevor er das Paar alleinließ.

Der Bericht seiner Frau traf ihn wie ein Donnerschlag. Das Haus war beschlagnahmt worden und sie wohnten jetzt in einem Frauenhaus. Der Tochter ging es immer schlechter, da sie keine Medikamente mehr erhoffen konnte, vielleicht würde sie nicht einmal mehr diese Woche überleben. Außerdem spucke man sie an und, wenn es nicht anders ginge, müsse sie in eine andere Stadt gehen. Hier in Vallusa jedenfalls habe sie nichts mehr vom Leben zu erwarten und sie solle ihm verzeihen, wenn sie ginge. Sie sei am Ende, sagte sie, geschlagen, beleidigt und bespuckt habe man sie. Vielleicht wäre es sinnvoll mit allem, was sie habe, zu gehen und er solle sie verstehen. Selbst der Besuch hier im Kerker hätte sie ein Vermögen gekostet, gemessen an dem was sie noch habe. Als der Kerkermeister die Türe wieder öffnete, saß Walroder gelähmt da und konnte nur noch sagen "... Du kannst ja nichts dafür." bevor die Türe ins Schloß fiel und seine Welt ins Dunkel hüllte. Das letzte was er gesehen hatte war seine weinende Frau. Oder war da ein befreites Lächeln auf ihren Lippen gewesen...?

Walroder schreckte auf. An das Tippeln der Rattenpfoten und die Schaben hatte er sich gewöhnt, die Dunkelheit und Verzweiflung machte ihm mehr zu schaffen. Jeden Tag betete er zu den Göttern, sie hörten ihn nicht. Nein, sie hören Dich nicht. Er blickte zur Decke, wo das Licht der Öllampe gegenüber immer ein flackerndes Schattenspiel erzeugte. Er humpelte auf seinen wunden Füßen zum Fensterchen in der Türe. Nichts zu sehen. Seine Finger glitten um die zwei Eisenstäbe und er seufzte. Schwarzer Dreck überall auf seinen Armen und unter den langen Fingernägeln. Vom Luxus eines Barbiers hatte er schon längst aufgehört zu träumen. Mittlerweile träumte er nur noch davon wie er seine Finger in den Hals der Richterin bohrte...


Er schrie um Hilfe. Doch sein Brüllen ging unter, genau wie das der anderen Gefangenen. Seit einigen Tagen hatten kaum etwas zu trinken bekommen. Der Alte gab keine Antwort und schlug ihnen nur auf die Finger wenn er welche am Fensterchen treffen konnte. Dumm genug die Türe zu öffnen war er nicht, obwohl die Gefangenen dem Buckligen sicher nicht viel Kraft entgegenzusetzen hatten. Er lachte sie nur aus wiederholte die Worte die er seit Tagen wiederholte "Es gibt nur Wasser und Brot". Der Hunger schien Walroder noch intensiver Träumen zu lassen, von seinem vorherigen Leben. Und so wuchs seine Wut und sein Wunsch nach Rache von Tag zu Tag.

Wiedermal wurde Walroder wach. Neben dem stöhnen aus einigen Nachbarzellen hörte er nichts. Wie immer, wenn er wach wurde, kroch er zur Tür und zog sich an den Gitterstäben hoch. Dann sah er das einzige Licht, was ihm im Leben noch geblieben war: Die kleine Öllampe gegenüber seiner Türe. Was noch Glück war, wenn man die anderen Zellen betrachtete die den Flur hinab lagen, wo garkein Licht hin gelangte. Glück, was für ein Gedanke. Glück! Glück wäre zu sterben. Seine Finger krampften sich um die Gitterstäbe und er weinte. Es liefen keine Tränen mehr, das einzige was aus seinem trockenen Hals herauskam war ein bitteres Krächtzen. Nichteinmal brülllen vor Wut konnte er.
"Finger Weg von den Stäbeh sach ich!" hörte er die Stimme des Alten Bastards aus der Dunkelheit und spürte schon den Schmerz durch seinen Arm jagen als dieser ihm mit einem Stock auf die Finger schlug.
Walroder wusste nicht warum er trotzdem an ihnen festhielt, wie am letzten Stück Hoffnung.
"Oh-hoho, mutig" höhnte der Alte. Schemenhaft tauchte seine Finstere Gestalt im Halblicht auf. "Da scheint wer richtig... SAUER zu sein" Er kicherte. "Haben die Götter dein Armseliges Gewinsel immernoch nicht erhört?"
Walroder zwinkerte und versuchte ins Gesicht des Alten zu blicken. Dessen Augen schienen zu Glühen, vor lauter Lust ihn zu verhöhnen. Plötzlich schob dieser seine Blendlaterne auf und Walroder schrie, nein krächtzte, auf als ihn der Lichtstrahl völlig unvorbereitet traf.
Er versuchte eine Hand gegen das Licht zu heben.
"ICH HABE DICH ETWAS GEFRAGT" die Stimme des alten war nicht mehr das gewohnte rasseln, sondern wurde jetzt begleitet von einem sonoren Brummen. Wie eine kalte Hand legte sich Angst um Walroders Herz. Träumte er?
"ANTWORTE!"
Gegen das Licht der Blendlaterne konnte Walroder nichts erkennen.
"Aber.. ich weiss garnicht.."
"HABEN DEINE GÖTTER DEIN ARM-SEELIGES GEWINSEL IMMERNOCH NICHT ERHÖRT?"
"Woher .. wer bist Du.. woher weisst Du"
"MEIN MEISTERHAT DICH GEHÖRT DU WINSELNDER WURM! ER KANN DIR DEINEN WUNSCH NACH RACHE ERFÜLLEN. ER VERLANGT DAFÜR NICHT VIEL. ER GIBT DIR DAS WERKZEUG DAZU DEINE RACHE ZU ERFÜLLEN. DU DARFST DICH SELBST RÄCHEN UND DU BRINGST IHM IHR HERZ ZUM DANK. ALLES KANN WIE VORHER WERDEN. SAG SEINEN NAMEN WENN ER DIR HELFEN SOLL: Blakharaz."

Walroder wusste wessen Herz: Das der Richterin. In diesem Moment erstarb der letzte Funke Hoffnung auf Gerechtigkeit durch die Götter, die ihm nie geholfen hatten. Weder vor Gericht, noch durch Peraine an seiner Tochter noch sonst wo.... Nun lebte er für die Rache. Der, der zu ihm sprach hatte Recht. Walroder musste nichts sagen, er willigte zu. Flüsterte den Namen. Alles konnte werden wie vorher. Besser. Eine Hand wäscht die andere...
Die Laterne wurde zugeschoben und im selben Augenblick war die Schemenhafte Gestalt des Wächters im dunkelen Gang verschwunden.... die kleine Öllampe verlosch. Stille kehrte ein. Selbst das Stöhnen der Kranken im Gang waren verstummt.
Dann hörte man Schritte. Der schlurfende Kerkermeister kam mit seiner an Walroders Türe.
Walroder schauderte als sich schabend der Schlüssel ins Schloß von seiner Kerkertüre schob. Der Alte blendte ihm mit der Laterne ins Gesicht.
"Glotz nicht so blöd, los hinten an die Wand!" knurrte er und Walroder sah einen Dolch in der Linken des Mannes aufblitzen. "Und keine Sperenzken!" Der Wachmann stellte seine Lampe ab und klopfte zur Bestätigung seiner Worte auf seinen Schlagstock, der am Gürtel baumelte.
War der Alte gekommen um ihn umzubringen?? Walroder wich vor dem Stahl zurück an die Wand der Zelle.
"Gebs zu, Deine Frau hat Dir sicher was da gelassen, hm?... Ausziehen!" Walroder schluckte. Keine Rettung?
"Aber ich .. sie hat mir nichts da gelassen!"
"Verkauf mich nicht für Dumm, Söhnchen..." die rechte, freie Hand wanderte zum Schlagstock. Er rupfte ihn heraus und dann machte der Alte einen Schritt nach Vorne, um Walroder einen Schlag zu verpassen. Jedoch trat er dabei auf die Schale mit Haferbrei und mit lauten Krach landete er in der Zelle. Dabei fiel auch die Lampe um und ihr Öl ergoß sich auf das feuchte Stroh in der Zelle. Trotzdem entzündete es sich schnell. Der Alte regte sich nicht. Als Walroder ihn umdrehte, sah er was passiert war. Er war in sein Messer gefallen und hatte sich aufgespießt. Nur ganz leicht atmete er noch. Walroder zog das Messer aus der Brust seines Peinigers und spuckte auf dessen Körper. Dann zog er die Schlüssel vom Schloß und ließ die Zelle hinter sich, in der sich langsam das Feuer ausbreitete. Die Hilfeschreie seiner Mitinsassen interessierten ihn nicht. Nur er war zu Unrecht dort gelandet. Außerdem würde bestimmt jemand nach ihm suchen, wenn man in seiner Zelle keine Leiche fand, der Wärter aber scheinbar abgehauen war.
Er lächelte. Der Weg seines neuen Herren, die Sache zu lösen waren wirklich beeindruckend - jetzt musste er nur noch die Richterin finden. Ihr das Herz herauszuschneiden und seinem Meister zu bringen war dann Nebensache. So schwer war dieser Handel also nicht zu erfüllen...

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