Freitag, 17. Oktober 2008

Brunn Bauken

Brunn Bauken stützte seinen Kopf schwer auf sein Schreibpult. Seit Anfang Ingerimm hatte sich einiges geändert, denn an diesem Tag hatte der Allmächtige Praios ihm eine Vision gesandt. Er hatte ein Greifenei gesehen, dem eine Eidechse entschlüpft war, die sich wiederrum in eine schwarze Schlange verwandelt hatte und dann ihre Eltern aufgefressen hatte. All dies schien sich in der Vision auf dem Naira Kubuch abzuspielen, dem höchsten Gipfel der Roten Sichel… - und damit in seiner Kirchenprovinz: Weiden.
Als er seinen Mitbruder Amanda Laconda da Vanya, den hohen Inquisitor um einen Ratschlag gebeten hatte, hatte er damit ins Schwarze getroffen: Kurz zuvor hatte ein Magier in Perricum behauptet, ein mächtiger Magier würde geboren werden und mit einer roten und einer schwarzen Sichel alle Feinde niederstrecken. Der Magier war nach seiner Vision nicht mehr ganz bei Verstand gewesen und wurde in der Akademie zu Perricum behandelt, soweit Brunn Bauken es wusste. Trotzdem hatten diese Visionen den hohen Inquisitor veranlasst das Konvent der Praioskirche nach Weiden zu verlegen um auch dieser Sache nachzugehen. Es wies alles darauf hin, das etwas geschehen würde – die Frage war nur was. Das der Tempel in Anderath ausgeraubt wurde passte später nur allzugut ins Bild…
Später, beim Konvent selbst, waren allerlei hohe und wichtige Herrschaften angereist: Neben Da Vanya und seinem Gefolge aus Ragath waren Abgesandte von Weißmagischen Magierschulen aus Gareth und Perricum vor Ort, sowie der Ordensmarschall der Bannstrahler, Ucurian Jago und andere, kirchliche Persönlichkeiten. Das Konvent hatte seinen Verlauf genommen aber schließlich waren einige Abenteurer mit einer Traviageweihten aufgetaucht, die Just davon sprachen, das eine Tsa-Geweihte in Dragenfeld eine göttliche Vision als Hilferuf ausgesandt hätte. Auch war Delian von Wiedbrück, ein Mitarbeiter der KGIA, mit seiner Gruppe unterwegs in die Sicheln um einen Magier namens Koroban zu finden, der sich dort versteckt haben sollte. Wenn das kein Hinweis auf seine Vision war… Ucurian hätte fast eine Eskorte aus Bannstrahler mit der Traviageweihten geschickt, dann aber war er aber vom Inquisitor zum Gipfel des Naira Kubuch geschickt worden um den Visionen nachzugehen.
Als beide Expeditionen später zurückkehrten, hatte sich der hohe Inquisitor nach Salthel begeben und dort in Burg Aarkopf Quartier bezogen, weil mittlerweile erschreckende Gerüchte aus den Baronien Ingerimms Steg und Uhdenwald eingetroffen waren. Die „Helden von Dragenfeld“ hatten wohl einen mächtigen Schwarzmagier bekämpft, wie auch Delian von Wiedbrück bestätigen konnte, und die dortige Gefahr konnte vorerst gebannt werden. Trotzdem war die Gegend durch dämonisches Wirken auf lange Zeit aufs Unglaublichste verseucht und man sperrte das gesamte Gebiet ab. Als Ucurian Jago schließlich auch zurückkehrte, berichtete er ebenfalls von eine wahrlich alptraumhaften Expedition, die fast im Debakel geendet hätte. - Fünf Todesopfer waren unter den ehrenwerten Bannstrahlern zu beklagen. Ucurian forderte, als er den Bericht der Leute aus Dragenfeld gelesen hatte, sie zu verbrennen. Er sah in dem Bericht Wiedersprüche und Häresie, der Inquisitor wies ihn jedoch aufs schärfste zurecht. Natürlich übertrieb Ucurian, obwohl er in manchen Sachen auch Recht behalten mochte. ..
Unter der Bitte, Stillschweigen zu bewahren, wurden die Gefährten von Dragenfeld entlassen und die Dragenfelder Wildnis in den nächsten Monden intensiv untersucht. Seitdem waren immer Geweihte und Magier dort um Wache zu halten und zu forschen. Als wäre dies nicht schon genug gewesen für den Balihoer Tempel, und hätte somit Brunn Baukens obersten Aufsicht bedurft, kam noch die alltägliche Arbeit in Weiden hinzu. Eine echte Belastung für die Kräfte der Praioskirche in diesen Krisengeschüttelten Zeiten – Und es sollte nicht das letzte Mal sein, dass er diese … Helden gesehen haben sollte.
Brunn Bauken trat von seinem Pult zum Fenster und sah hinaus ins Schneetreiben des Tsa-Mondes. Seit Rondra hatten sich seltsame Tode in Weiden gehäuft. Zuerst hatte man diesem Treiben keine Unauffälligkeit zuordnen können, später jedoch erfuhr man, dass auch auffällig viele Leute spurlos verschwunden waren. Der Herzog, ein praktischer Mann, beauftragte kurzerhand – natürlich ohne ihn vorher zu befragen – dieselben Helden, die schon in Dragenfeld die Sache geklärt hatten. Als diese den Hochgeweihten dann später aufsuchten, waren sie schon zu sehr im Geschehen verankert, als dass Bauken eigene Leute beauftragen hätte können – hätte er noch welche frei halten können. Auch hatten sie schon einige Erfolge vorzuweisen und Bauken hatte mit der Sache in Dragenfeld, der Kirchenspaltung und dem alltäglichen Geschehen wahrlich genug zu tun. So hörte er ihre Worte an und die Leute – eine wahrlich seltsame Sammlung an Gestalten – erklärten ihm, es gäbe wohl eine Vampirplage in seiner winterlichen Kirchenprovinz! Der Hochgeweihte hatte den Helden geholfen, selbige zu bekämpfen, Unterstützung zugesagt und war sogar selbst mehrmals ausgeritten um die Sache zu untersuchen. Als die Plage scheinbar bekämpft war, waren die Helden zu ihm gekommen und hatten einen hanebüchenen Bericht abgegeben, der darin gipfelte der Dämonenmeister Borbarad wandle wieder auf Erden und eine mächtige elfische Schwarzmagierin stecke hinter der ganzen Sache!
Noch heute musste der Hochgeweihte wütend schnauben, wenn er daran dachte, was für eine Geschichte diese Helden aufgetischt hatten. Es mochte sein, das diese Leute wieder Teil eines schwarzmagischen Rituals geworden waren, aber Borbarad wieder da? Vielleicht hatte das Erlebte sie zu sehr verwirrt. Ketzerischer Unsinn. Und dann hatte dieser dreiste Tulamide auch noch auf Praios und die Zwölfe geschworen, das es stimmte, was sie sagten… Die wirre Geschichte gipfelte in den Ausführungen der Magierin, die zugegeben hatte grenzwertige Magierituale eingesetzt zu haben. Es kam heraus, dass sie sich selbst Rat bei einer Hexe geholt hatten! Hätten sie sich nicht so um Weiden verdient gemacht, hätte er sie einsperren lassen und intensiv befragt. Andererseits, wer würde so dumm sein, ihn anzulügen und auf Praios einen falschen Eid zu schwören ohne die gerechte Strafe zu erwarten… Sein Gefühl sagte ihm, dass irgendetwas an der Sache stimmte. Trotzdem würde er Rat beim hohen Inquisitor einholen… Wie auch immer die Sache ausgehen würde: Praios würde ihnen den Weg weisen und die Ketzer bestrafen, wenn sie welche waren… - Und Er, der Hochgeweihte von Baliho, war nicht umsonst bekannt als der Ketzerrichter von Baliho. Vielleicht lag in seinem Schnauben aber auch ein Hauch Ärger über sich selbst wegen seiner mangelnden Entscheidungskraft in diesem Fall. Vor einigen Jahren wäre ihm das nicht passiert, die Leute mit Zweifeln an ihrer Aufrichtigkeit und Richtigkeit ihrer Aussagen und besonderes der Sorge um die Reinheit ihrer Seelen einfach… laufen zu lassen. Er machte sich auf den Weg in seine private Kapelle um diesen Gedanken des Zweifels auszubrennen. Fehler konnte er sich nicht leisten – und wenn man welche machte, musste man sie bereinigen. Möglichst schnell.

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