Freitag, 17. Oktober 2008

Rahimas Sicht der Dinge...

„Der Rechtschaffene begrüßt den täglichen Sonnenaufgang und dankt dem Götterfürsten.
Der Rechtschaffene spricht nichts als die lautere Wahrheit.
Der Rechtschaffene ehrt die Geweihten und besonders die Hüter, und müht sich, ihren Anweisungen stets schnell und gründlich Folge zu leisten.
Der Rechtschaffene besucht die heilige Andacht am Morgen, am Mittag und am Abend.
Der Rechtschaffene hält sich fern von allem Laster; Unzucht, Spiel und Vergnügen sind ihm ein besonderes Gräuel.
Der Rechtschaffene verabscheut den Frevel Madas in all seinen Auswirkungen, verderbte Zauberwirker zeigt er sogleich bei den nächsten Geweihten an.
Der Rechtschaffene liest nichts als die Heiligen Schriften.
Der Rechtschaffene arbeitet hart und ehrt die Zwölfe mit all seinen Taten.
Der Rechtschaffene schweigt während der Mahlzeiten und gedenkt der strahlenden Größe des Götterfürsten.
Der Rechtschaffene … „
Mit dieser elend langen Litanei von Empfehlungen, wie sich „der Rechtschaffene“ zu verhalten hat, quälte Bruder Ucurius am ersten Morgen im Kloster unsere noch müden Ohren. Mir war ohnehin schon schlecht, und dann „der Rechtschaffene, der Rechtschaffene“ … was machte der alte Mann überhaupt in meinem Zimmer?
Zuerst dachte ich ja, diese Selbstgeißelung, ein freud- und gefühlsloses Leben leben zu müssen, beträfen nur die Praioten selbst. Doch weit gefehlt! Allem Anschein nach erwarten die Hüter auch von uns, ihren merkwürdigen Regeln Folge zu leisten. Ha, hier sehe ich Konflikte heraufziehen wie in loderndem Zorn herbeigerufene Gewitterwolken! So „rechtschaffen“ bin ich nun wieder nicht, dass ich auch nur eine einzige ihrer Regeln befolgen würde!
Auch Hamar murrte etwas über Phex und Rahja als er seinen Dreitagebart abrasierte und dabei den Schlaf aus den Augen wischte. Während uns Bruder Ucurius in die Esshalle trieb und mit den Worten „der Herr Praios ist zwar gütig, aber auch streng“ ermahnte, den Morgengottesdienst kein weiteres Mal zu verpassen.

Bei dem kargen Brot, dass wir und die Mönche dort anstelle eines richtigen Frühstücks einnahmen, wollte ich dann wenigstens mit meinen Freunden schwatzen. Doch die Blicke der verknöcherten Hüter riefen mir schnell ins Gedächtnis, dass „der Rechtschaffene während der Mahlzeiten nicht spricht“. Zu allem Überfluss wurde dann noch lautstark irgendetwas vorgelesen, scheinbar in Bosparano – ich konnte kein Wort verstehen. Mein Vorschlag, die Vorlesung, wenn sie sich schon nicht gänzlich vermeiden ließe, wenigstens in einer verständlichen Sprache abzuhalten, rief nur noch weiteres Entsetzen bei den Geweihten hervor. „Das kommt unter keinen Umständen in Frage, und jetzt solltest Du schweigen“, war ihre wohlbegründete Erklärung, warum Praios Bosparano lieber als Garethi (von Tulamidi ganz zu schweigen) spricht.
Übermüdet, hungrig und bereits jetzt einigermaßen entsetzt über das „Leben“ auf Arras de Mott versammelten wir uns danach in der Brauerei. Ich schlug vor, Boronfried solle den Hütern mal ins Gedächtnis rufen, dass der Schlaf Boron heilig sei und deshalb nicht zu barbarischen Zeiten unterbrochen werden dürfe, doch er hielt das für keine gute Idee. Wenigstens Searanja und ich waren uns einig, dass das Magieverbot im Kloster eher lose auszulegen sei und es eigentlich (wie meistens) nur darauf ankommen würde, sich halt nicht erwischen zu lassen.
Anschließend trafen wir uns mit Hüter Bormund, der uns erzählen sollte, was hier überhaupt vorgefallen war – Schließlich sind wir nicht hier, um uns in das Regelkorsett der Mönche zwängen zu lassen, sondern um dem Feind der Schöpfung entgegenzutreten, dessen finsteres Wirken wir hier vermuten. Der alte Hüter Bormund erwies sich als einigermaßen auskunftsfreudig, und nachdem ich meine nackten Schultern unter Balihoer Tuch versteckt hatte, war er auch in der Lage, vollständige Sätze zu sprechen und mich anzusehen, ohne in Schweiß auszubrechen. Er erzählte uns dann von einem merkwürdigen Vorfall bei den Bauarbeiten am Hauptturm: Ein Dachdecker, der ganz oben auf dem Gerüst gearbeitet hatte, war plötzlich panisch herumgesprungen und dann schreiend nach unten gestürzt, wo Sumus fester Leib seinem Leben ein Ende bereitete. Dabei war er nicht als besonders schreckhaft bekannt gewesen, und ein sichtliches Anzeichen für sein Erschrecken hatte es auch nicht gegeben … es gibt also wirklich etwas zu tun für uns…



Was könnte der Bethanier hier nur wollen? Alles, was mir dazu einfällt, ist die Bibliothek, die voll von “geheimen und verbotenem Wissen” sein soll. Überflüssig, zu erwähnen, dass der Zutritt zu dieser Bibliothek für uns “verboten” ist. Doch ein Blick zu Seranja herüber genügt für die Verständigung zur Gezeichneten: Wir müssen erfahren, was sich in dieser Bibliothek verbirgt! Als Ucurius gerade einen mahnenden Ton anschlägt und die Männer über das Übel des Spiels aufklärt, lupfte Seranja kurz ihre Augenklappe an und glitzerte mich über den Rücken des Hüters rot an - schon waren wir uns einig: Geheimes und verbotenes Wissen ist hier sicherlich nicht optimal aufgehoben … Vielleicht beachten die Rechtschaffenen jede kleinliche Klosterregel, sprechen nichts als die reine Wahrheit, halten Abstand von Zauberei und bewirken nichts im Kampf gegen den Wiedergeborenen. Doch die Gezeichneten tun, was immer sie tun müssen, sagen, was immer sie sagen müssen, und nutzen jeden Zauber und jeden Trick, der ihnen zur Verfügung steht, um gegen den dunklen Einfluss Borbarads anzukämpfen, mit oder ohne Klosterregel! Wenn das nicht im Sinne der wahren Götter ist, weiß ich auch nicht weiter.
Diese wundersame Verständigung zwischen uns ist schon überraschend, hat mich Seranja doch eigentlich immer skeptisch betrachtet. Obwohl wir beide uns so unterschiedlich entwickeln, sind wir uns doch manchmal viel leichter einig als mit den anderen. Es wird Zeit, dass wir alle Ernst machen im Kampf gegen den Wiedergeborenen! Dann werden auch diese elenden Streitereien aufhören, ob wir diese oder jene Grenze überschreiten sollten oder nicht – Scheinbar lässt man beim Empfangen eines Zeichnes einiges Zaudern hinter sich...

Trotz der sich deutlich anbahnenden Notwendigkeit, auf ein Neues Licht in das Dunkel finsterer Machenschaften zu bringen, konnte ich nicht umhin, die bleierne Müdigkeit in mir zu bemerken. So entschied ich für mich, dass, bevor es los geht, wir erstmal den Schlaf nachholen, der heute Morgen so jäh unterbrochen wurde.




Seranja, ich stimme Dir insofern zu, als dass sowohl die Orakelsprüche als auch die Prophezeihungen mit Hinweisen schließen, die weder sehr detailliert noch sehr erbaulich sind. Wie bereits mehrfach betont, bedeutet das meiner Meinung nach aber nur, dass wir – Phex steh uns bei! - in diesem Kampf mehr bemühen müssen als jemals zuvor.

Auch völlig richtig ist, dass Er nur durch Magie zurückkehren konnte und auch nur so zu einem neuen Körper gelangt ist, wie auch sonst? Es behauptet hier ja niemand, dass Magie nur sogenanntes „Gutes“ bewirkt. Nein, natürlich nicht. Aber genauso wenig ist abzustreiten, dass Magie auch nicht nur sogenanntes „Böses“ bewirkt - Oder wärsst Du lieber an den Hieben der Orks zugrunde gegangen, Thorulf?

Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Wir alle leben nur noch, weil uns schon oft Magie das Leben gerettet hat - ohne sie wären wir schon alle längst zu Staub zerfallen und wieder Teil von Sumus Leib geworden. Ist das nicht Grund genug, diese Sternenkraft als gute Freundin anzusehen?
Und wem das nicht reicht (und wer außer den Bannstrahlern sollte das schon sein?), der sollte sich an die Geschichte erinnern: Wie ist Borbarad in seinem letzten Leben besiegt worden? Sicher, es gab Kämpfe, und Erz und Feuer wurden auf beiden Seiten der Mauern der Schwarzen Feste in hohen Ehren gehalten. Doch als es Ernst wurde, und es dem finsteren Erzmagier selbst an den Kragen ging, gab es kein anderes Mittel als die geballte Kraft Madas, um Ihn zu verbannen - Ohne Zauberei hätte er ohne Probleme fliehen und andernorts wieder Anhänger um sich scharen können.

Was schließlich die Zeichen angeht, stimmt es schon, dass wir noch nicht genug über sie wissen. Doch den Orkalsprüchen von Fasar zu Folge vermitteln sie ihren Trägern wichtiges Wissen: Das Wissen um Seinen Namen, Seine Gestalt, Seine Macht, Seine List, Seinen Frevel, Seinen Plan … und um Seine Zeit! Und „Seine Zeit“, das wird die Zeit sein, zu der er dem Dreizehngehörten gegenübertreten muss, um sich für seine Frevel zu verantworten …
Es ist deshalb ganz klar, dass die Zeichen unser Licht und Wegweiser sein sollten in diesen Zeiten – vertraut ihnen, und wir werden schlußendlich siegen!

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